Tatmotive

Sozialdarwinismus

Die Theorie der natürlichen Auslese

Sozialdarwinismus entstand aus den Theorien des Naturwissenschaftlers Charles Darwin. Dieser hatte im 19. Jahrhundert die langfristigen Entwicklungen der Tierwelt untersucht und die Evolution mit Hilfe des Prinzips des „Survival oft the fittest“ beschrieben. Er ging davon aus, dass nur die angepassten Tierarten in der Natur überleben und über lange Zeiträume eine „natürliche Auslese“ stattfinde. Heute ist diese Theorie in Teilen umstritten. Durch den Sozialdarwinismus werden bestimmte Annahmen von Darwins Theorie auf das Zusammenleben der Menschen übertragen. Obwohl alle Menschen einer Gattung angehören propagiert der Sozialdarwinismus eine „natürliche Auslese“ auch innerhalb des menschlichen Zusammenlebens. Menschen, die im Konkurrenz- und Leistungsdruck unserer Gesellschaft nicht mithalten können, werden für ihren sozialen Status und ihre Probleme allein verantwortlich gemacht. Die Entwicklungen des globalen Wirtschaftssystems und die Verwerfungen, die es produziert, werden ähnlich der Evolution als natürlicher Prozess verstanden.

Gegen „Nutzlose“ und „Überflüssige“

Menschen mit sozialdarwinistischen Einstellungen sehen die wirtschaftlichen Verlierer_innen dieser Prozesse oft als „Nutzlose“ oder „Überflüssige“. Sozialdarwinismus drückt sich dementsprechend in der Benachteiligung, Diskriminierung und Ausgrenzung sozial schlechter gestellter Menschen aus. Oft betroffene Personen sind Wohnungslose, Menschen mit Behinderung, Drogennutzer_innen, Menschen ohne Erwerbsarbeit und teilweise sogar Menschen, die einfach nur schlecht bezahlt werden. Nach Umfragen des Soziologen Wilhelm Heitmeyer halten mehr als die Hälfte der Besserverdienenden Langzeitarbeitslose für „willensschwach, an ihrer Lage selbst schuld und für die Gesellschaft nutzlos“. Das wird schnell in politische Forderungen übersetzt. Franz Müntefering, damaliger SPD-Bundesvorsitzender, Vizekanzler und Bundesminister für Arbeit und Soziales sagte im Mai 2006: „Nur wer arbeitet, soll auch essen.“ Durch solche Statements werden sozial Benachteiligte entmenschlicht und als lebensunwert markiert.

Mörderische Tradition

Dieser verbalen Gewalt schlägt immer wieder auch in körperliche Gewalt um. Täter_innen sozialdarwinistisch motivierter Gewalt finden in Bildern und Urteilen von Politik und Medien oft Bestätigung für ihr Handeln. Historisch betrachtet knüpfen sie auch an die Vernichtungspraxis des Nationalsozialismus an. So wurden zwischen 1939 und 1945 hunderttausende Menschen aus sozialdarwinistischen Motiven in Euthanasieanstalten, Konzentrationsund Vernichtungslagern ermordet: Menschen mit Behinderung, Menschen die als „Drogenabhängige“ galten, Menschen die keine Wohnung hatten und Menschen die sich den Zwangsarbeitsprogrammen der Nazis entzogen haben.

Rassismus

Geschichte des Rassismus

Rassismus entstand mit der Erfindung der „Rassentheorien“, wonach Menschen angeblich biologisch unterschiedlichen „Rassen” angehören würden. Der biologischen Unterscheidung folgte die Einteilung in „höhere und niedere Rassen”. Während des Kolonialismus und der Sklaverei wurden so Ausschluss, Unterdrückung und Ausbeutung von bestimmten Menschengruppen gerechtfertigt. Rassismus bezeichnet demnach die mit Macht praktizierte Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Einteilung nach bestimmten (äußeren) Merkmalen. Von diesen Gruppenmerkmalen wird auf individuelle Fähigkeiten, Eigenschaften und Verhaltensweisen des Individuums geschlossen. Noch heute gibt es viele Formen rassistischer Diskriminierung in Deutschland, von denen einige verboten, andere geduldet oder sogar befördert werden.

Verschiedene Varianten von Rassismus

Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass keine Menschenrassen existieren, sondern alle Menschen einer Gattung mit gemeinsamer Abstammung angehören. Rassismus existiert heute jedoch auch ohne die Annahme, dass unterschiedliche „Rassen” existieren würden. Rassistische Überzeugungen finden sich auch bei Menschen, die sich selbst nicht für Rassist_innen halten. Hier mag es sich um rassistische Vorurteile handeln, die im Laufe des Lebens erworben wurden und sich zu allgemeinen Vorstellung von dem, was „normal“ und was „fremd“ ist, verfestigt haben. Rassistische Zuschreibungen müssen dabei nicht zwangsläufig abwertend gemeint sein: Dass Asiat_innen gut in Mathematik seien oder Afrikaner_innen „Rhythmus im Blut“ hätten, erscheint meist nicht als rassistisch diskriminierend. Das ist falsch, denn auch bei vermeintlich positiven Fähigkeiten und Eigenschaften werden Individuen auf Grund von Herkunft oder Aussehen rassistisch beurteilt. Statt „Rassen” und Merkmalen wie Hautfarbe oder Abstammung, stehen heute häufig Kategorien wie Religion und Kultur im Mittelpunkt.

Rassismus führt zu Gewalt

Doch auch die Annahme von Kulturkreisen macht individuelle Merkmale von Vertreter_innen der so konstruierten Gruppen unsichtbar. Sie werden stattdessen auf eine vermeintliche Kultur reduziert, mit der jegliches Sein und Handeln des Individuums erklärt wird. Den Menschen wird dadurch die Möglichkeit zur freien Entscheidung und Lernfähigkeit abgesprochen. Auch wenn Rassismus heute meist ohne den Bezug auf „Rassen” auskommt, werden Menschen weiterhin anhand bestimmter Eigenschaften sortiert, ausgeschlossen und damit Diskriminierung und Gewalt gerechtfertigt.

Feindlichkeit gegenüber Homosexuellen

Was ist schon normal?

Homosexuellenfeindliche Einstellungen beruhen auf der Annahme, es würden nur die zwei Geschlechter “Frau” und “Mann” existieren, und nur die Heterosexualität zwischen ihnen wäre “natürlich” und “normal”. Meist werden sie von einem traditionellem Familienbild und dem Wunsch nach einer männlich-dominierten Gesellschaftsordnung begleitet. Diskriminierung von Homosexuellen und strikte Normen hinsichtlich der Geschlechtlichkeit und sexuellen Orientierung von Menschen sind gesellschaftlich weit verbreitet.

„Wie kann man nur hassen, dass Menschen sich lieben?“

Abgewertet und ausgeschlossen werden all jene, die sich dem starren Konzept von “Frau” und “Mann” nicht fügen und eine eigene Sexualität leben. Betroffen sind lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen. In Deutschland sind sie noch heute nicht rechtlich gleichgestellt mit Menschen, deren Sexualität oder Geschlecht als “normal” gelten. Auch heute kann lediglich von einer scheinbaren Akzeptanz von Homosexualität in unserer Gesellschaft ausgegangen werden. Homosexuelle müssen sich immer noch „outen“ und ihre Sexualität rechtfertigen. Dadurch wird eine “Abweichung” von der heterosexuellen Norm erst geschaffen.

Der kämpfende Hetero-Mann als Ideal

Für Neonazis stellt Homosexuellenfeindlichkeit einen wichtigen Pfeiler in ihrer Ideologie dar. In der nach ihren Vorstellungen perfekten Gesellschaft, der „DeutschenVolksgemeinschaft“, ist kein Platz für diese Menschen. Ihrer Meinung nach kann nur die heterosexuelle Familie, mit ihren eindeutigen geschlechtlich verteilten Aufgaben für Männer und Frauen, eine “gesunde“ Gemeinschaft garantieren. Diese Vorstellung äußert sich in konkreten gesellschaftlichen Aufgabenstellungen. Der aktive Mann hat eine Familie zu gründen und das “Vaterland“ zu schützen. Die passive Frau hält dem Mann durch Reproduktionsarbeiten – “Heim, Herd und Kinder” – den Rücken frei.

Insbesondere schwule Männer passen in diese heterosexistische Denkweise nicht hinein. Sie gelten als “lebensunwert” und sollen aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Die Existenz von inter- und transsexuelle Menschen wird vollkommen verneint.

Homophobie führt zu Gewalt

Hass auf Homosexuelle dient auch als Rechtfertigungsgrundlage für Gewalt gegen homosexuelle Menschen. Diese Gewalt hat Tradition. Bereits während des Nationalsozialismus wurden homosexuelle Menschen, insbesondere Männer, verfolgt. Der verschärfte § 175 des Strafgesetzbuches, der den Geschlechtsverkehr sowie lustvolle Blicke unter Strafe stellte, galt ausschließlich für Männer. Viele homosexuelle Frauen und Männer wurde auf Grund ihrer Sexualität verurteilt und in Konzentrationslagern inhaftiert. Für die meisten endete die Tortur in den Konzentrationslagern mit dem Tod. Sowohl in DDR als auch in der BRD kam der § 175 mehr als zwei Jahrzehnte weiter zum Einsatz.

An diese tödliche Gewalt gegenüber Homosexuellen knüpfen Neonazis noch heute an.