Mario L.

22. Dezember 1995

Mario L. wird nur 15 Jahre alt. Am Abend des 22. Dezember 1995 wird der Schüler auf einem Schulhof in Grimma erstochen.

Am Tattag kaufen die 19-jährigen Ronny K. und Mirko F. mit einer weiteren Person ein Messer, Pfefferspray und einen Kasten Bier. Sie werden in der Lokalpresse der rechten Szene zugeordnet. Nach einem Kneipenbesuch treffen sie auf Mario L. sowie zwei seiner Freund_innen. Sie folgen der Gruppe bis zum Schulhof der Berufsschule in der Karl-Marx-Straße. Ronny K. und Mirko F. steigen aus dem Auto aus, um “mal auszuprobieren, wie das Reizgas wirkt.” Die dritte Person wartet im Wagen. Die beiden Täter greifen die drei Jugendlichen an. Diese versuchen zu fliehen. Der 17-jährige Sören H. fällt dabei zu Boden. Ihm wird mehrfach gegen den Kopf getreten. Er verliert das Bewusstsein.

Währenddessen sticht Ronny K. zweimal in das Bein von Mario L. Dieser will weglaufen, wird aber von Ronny K. festgehalten und ins Herz gestochen. Mario L. stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus an seinen Verletzungen. Sören H. wird schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Der dritte Jugendliche konnte unverletzt entkommen. Die Täter fliehen nach dem Angriff in ihrem Auto.

Ronny K. wird unter Einbeziehung zweier Verurteilungen in anderer Sache zu einer Jugendstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt. Mirko F. erhält wegen gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Gegen den dritten Tatbeteiligten gab es kein Verfahren. Das Gericht erkennt kein rechtes Tatmotiv und spekuliert zeitweise, ob es sich um einen Unfall gehandelt haben könnte. Die Lokalpresse schreibt von einer Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen, wobei Ronny K. aus Wut zugestochen habe. Ein Rechtsmediziner schloss im Gerichtsprozess einen Unfall aus: “Aufgrund der Art der Stichwunde müsse schon gezielt zugestochen worden sein”.

Ronny K. gilt als brutal. Er hat schon häufiger Menschen zusammengeschlagen und -getreten. Mirko F. sagt vor Gericht: “Ronny muß so lange kämpfen, bis der andere ruhig ist.”

Mario L. wird bisher nicht offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.

  • LVZ vom 23./24.12.1995: "Messerstecherei in Grimma - ein Toter" (S. 4)
  • LVZ vom 27.12.1995: "Grimma: Zwei Haftbefehle nach Messerstecherei auf dem Schulhof" (S. 5)
  • Wurzener Tageblatt vom 27.12.1995: "Tatverdächtige in Untersuchungshaft" (S. 1)
  • LVZ vom 28.12.1995: "Täter nach Messerstecherei in Grimma geständig" (S. 4)
  • Grimma Regional vom 12.01.1996: Todesanzeige Mario L. (S. 22)
  • Grimma Regional vom 12.01.1996: Todesanzeige Mario L. (S. 28)
  • LVZ vom 02.10.1996: "15jähriger starb nach Messerstich - Angeklagter spricht von einem Unfall" (S. 19)
  • LVZ vom 03.10.1996: "Unerwartetes Rätselraten über Tatablauf" (S. 14)
  • LVZ vom 12.10.1996: "Mehrjährige Haft für Messerstecher" (S. 13)
  • Frente 9.96: "Messerstecherei in Grimma" (S. 9)
  • Frente 12.96: "Fascho-Mörder verurteilt" (S. 10)
  • Chronologie Wurzen: "Jugendlicher in Grimma von Rechten erstochen - 22. Dezember 1995"

Christel G.

Verdachtsfall

Im Zuge der Recherchen zu rechten und rassistischen Morden im Landkreis Leipzig sind wir auf einen Todesfall aufmerksam geworden, bei dem die Indizien eine rechte Tatmotivation zwar nahelegen, die Belege für eine Einordnung als politisches Tötungsverbrechen jedoch nicht ausreichen. Es fehlen Informationen über den genauen Tatablauf.

Wurzen – 30. Juni 2002

Christel G. wird nur 64 Jahre alt. Sie wird am Morgen des 30. Juni durch den Neonazis Patrick K. erstochen. Christel G. engagierte sich für wohnungslose Menschen.

In einem leer stehenden Haus in der Marienstraße, in dem sich oft Jugendliche und Wohnungslose aufhalten, trifft sie in der Nacht des 29. Juni zwei Jugendliche, mit denen sie Bier trinkt. Zwischen drei und vier Uhr kommt Patrick K. hinzu. In der medialen Berichterstattung finden sich zwei Tatabläufe: Laut dem Prozessbericht einer Lokalzeitung greift Patrick K. einen der Jugendlichen mit einer Axt an und verletzt ihn an Händen und Armen. Christel G. stellt sich Patrick K. entgegen. Daraufhin zieht dieser ein Messer und ersticht Christel G. Er habe aus „Wut“ gehandelt, gibt er später während der Vernehmung zu Protokoll.

Laut anderer medialer Berichte soll es zwischen Christel G. und Patrick K. zu einem Streit über dessen „kriminelle Vergangenheit und Vorstrafen“ gekommen sein, über die Christel G. öffentlich erzählt haben soll. Aus „Wut“ habe Patrick K. daraufhin ein Messer gezogen und Christel G. erstochen. Die Jugendlichen versuchten einzugreifen, erlitten dabei Verletzungen an den Armen und Händen durch eine Axt.

Der Oberstaatsanwalt, Norbert Röger, schließt ein rechtes Tatmotiv aus. Wenig Tage vor dem Mord zerstört Patrick K. die Wohnung eines Sozialhilfeempfängers. Kurz zur erpresst Patrick K. von diesem Alkohol und zwingt ihn, den Bahnhofsvorplatz auf den Knien rutschend zu „reinigen“. Einen Monat zuvor beleidigt er mehrere Frauen auf rassistische Weise. Als eine Frau Patrick K. zur Rede stellen will, greift er sie an und schlägt sie.

Im Mai 2003 verurteilt das Landgericht Leipzig Patrick K. zu einer Jugendstrafe von siebeneinhalb Jahren Haft wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung an einem der Jugendlichen. Auch das Gericht thematisiert ein politisches Tatmotiv nicht.